Eine Reise durch Peter Aufschnaiters Leben

Als in der ersten Vierteljahreshälfte der Tyrolia-Verlag bei mir anfragte, ob ich nicht Interesse am Lesen einer Aufschnaiter-Biografie hätte, fragte ich mich zuerst, wer denn das eigentlich sein sollte: Aufschnaiter – noch nie gehört! In der Inhaltsangabe zum Buch tauchte jedoch der Name Heinrich Harrer auf. Aufschnaiter also ein zeitweiliger Reisegefährte von Harrer, dessen Name mir in Verbindung mit „Sieben Jahre in Tibet“ zumindest nicht gänzlich unbekannt war. Kurz noch Google befragt und die Persönlichkeit Peter Aufschnaiters schließlich für hinreichend interessant befunden, um sich auf das Wagnis Biografie einzulassen. Dazu sollte man wissen, dass ich kein wirklicher Fan dieses Genres bin und bis dato nur zwei Mal zu Biografien gegriffen hatte (Tutenchamun sowie Friedrich Schiller – beides waren fantastische Bücher gewesen!) Aber wie heißt es immer so schön: wer wagt gewinnt (normalerweise …)

Es dauerte nicht lange, und ich hielt das gewünschte Buch in den Händen. Dabei fiel mir als erstes auf, dass es für seine 414 Seiten ungewöhnlich schwer ist. Dies mag vor allem an der sehr guten Papierqualität und dem äußerst soliden Hardcover liegen. Ob diese Ausstattung unbedingt von Nöten ist, darüber mag sich jeder selbst ein Urteil bilden. Beim ersten Durchblättern fallen zudem zahlreiche Fotografien ins Auge, die günstiger Weise direkt in den laufenden Text eingefügt sind. Es sind für mich stets diese Bilder, die das Wirkliche des geschilderten Geschehens noch plastischer und greifbarerer machen. Neben den 16 Kapiteln finden sich im Buch noch eine Zeittafel zu Peter Aufschnaiter, eine kurze Abhandlung über Tibet sowie über den Buddhismus. In die hintere Coverinnenseite sowie auf die Innenseiten des Schutzumschlages hat man eine Karte von Tibet und die angrenzenden Gebiete gedruckt, in der die beiden großen „Wanderrouten“ eingezeichnet sind, die Aufschnaiter 1944-46 und 1951/52 zurückgelegt hat. Um den Verlauf im Ganzen zu betrachten, muss man den Schutzumschlag vom Buch entfernen und vor sich ausbreiten. Ich finde diese Lösung nicht optimal, zum einen, da ich den Schutzumschlag beim Lesen stets in den Schrank lege, zum anderen, weil die Karte in der hinteren Coverinnenseite nur einen Ausschnitt wiedergibt. Ich habe daher nur sehr selten beim Lesen die Route auch visuell nachverfolgt. Schöner wäre es gewesen, hätte man einen kleineren Maßstab gewählt und die Karte im Ganzen direkt ins Buch gebracht oder noch eine extra Faltseite eingefügt.

Geschrieben ist die Biografie von Nicholas Mailänder. Er hat sich über viele Jahre sehr intensiv mit der Person Peter Aufschnaiters beschäftigt, was man dem Text auch anmerkt. Zahlreiche Quellen werden vom Autor bemüht, das Geschriebene wirkt exakt recherchiert und man hat das Gefühl, dass sich Mailänder stets an die vorhandenen Fakten hält. Im Laufe des Buches greift er mehr und mehr auf Zitate aus Aufschnaiters Tagebüchern zurück. Zum Teil ziehen sich diese Passagen über mehrere Seiten. Als Leser hat man so das Gefühl Aufschnaiter besonders nahe zu sein und bekommt ein intensiveres Gefühl für seine Person. Sein Stil ist nie besonders ausschweifend, er liebt die Fakten, das, was greifbar ist. Bevor allerdings diese Passagen im Buch auftauchen, wird man vor allem vor der Inhaftierung Aufschnaiters bei einer Himalaya-Expedition mit zahlreichen Namen traktiert. Mailänder greift gefühlt alle Expeditionen der Münchner Bergsteigerverbände in Aufschnaiters jungen Jahren auf und beschreibt auch die Entwicklung des AV in nationalsozialistischen Zeiten. Dabei liest man ständig von neuen Personen, die dann meist nie wieder im Buch vorkommen. Mailänder gelingt es dabei nur sehr selten, diese Namen mit Leben zu füllen. Sicherlich ist Mailänder an einer sehr genauen Wiedergabe der Fakten interessiert, doch ich hatte zunehmend das Gefühl, dass er dabei den Blick für das Wesentliche verliert. Ehrlicherweise habe ich diese Auflistungen bald nur noch überflogen, denn für mich bzw. das Erfassen der Person Peter Aufschnaiters hatten sie nur eine sehr geringe Bedeutung. Ansprechend fand ich vor allem jens Kapitel, die von der Inhaftierung Aufschnaiters und seiner abenteuerlichen Flucht erzählen.

Dann aber gerät der Erzählfluss wieder ins Stocken, Fakten bestimmen das Bild und das Lesen wurde mir mehr und mehr zur Qual. Aufschnaiters Aufbruch aus Lhasa Anfang der 50er Jahre gestaltet sich als Aneinanderreihung von Orten und Menschen. Einmal trifft er allein auf zwei bewaffnete Männer. Es hätte spannend werden können, die Situation war für beide Seiten brenzlig, doch mit wenigen Sätzen ist diese Chance vertan. Mir ist natürlich bewusst, dass sich eine Biografie an die Fakten zu halten hat. Aber um dem Geschriebenen Leben einzuhauchen bedarf es m.E. nach schon ein paar Ausschmückungen, gerne auch der ein oder anderen Vermutung, die dann natürlich als solche gekennzeichnet werden sollte. Auf Seite 241 war für mich dann die Reise durch Aufschnaiters Leben definitiv vorbei. Ich hatte es noch mehrmals versucht, aber das Lesen hat mir keine Freude bereitet und so habe ich schließlich aufgegeben – und ich bin ein zäher Leser! Es ist wirklich sehr schade, denn die Biografie hätte gutes Potenzial gehabt. Mit der genauen Recherche und Mailänders umfassendem Wissen, hätte ein wirklich tolles Buch entstehen können. So bleibt es den hartgesottenen Aufschnaiter Fans vorbehalten oder Studenten und Schülern, die im Rahmen einer Ausarbeitung hier eine exakte Sekundärliteratur finden.

Christiane Fischer

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