Gestatten? Alter Söll. Kletterfelsen.

Vom „urban climbing“ liest man ab und an in den Kletterzeitungen. Klettern also mitten in der Stadt. Was in den Metropolen angesagt ist, geht jetzt auch in Schöneck. Das erhebt die kleine, höchstgelegene Stadt im Vogtland noch ein bisschen weiter.

Eines der Wahrzeichen Schönecks ist der Alte Söll, ein Aussichtsfelsen par excellence. Wenn Schöneck gerade mal Wetter hat – man sagt gemeinhin, Schöneck hätte KEIN Wetter – liegt einem vom Söll aus das Vogtland zu Füßen. Das liegt es sonst auch, nur sieht man es halt nicht.

Kletterambitionen für den Alten Söll gab es schon lange. Jan Hesse aus Schöneck hatte schon vor ein paar Jahren dem Stadtrat diesbezügliche Pläne vorgestellt, stieß aber auf Ablehnung. Vor gut einem Jahr griff der kletterbegeisterte „Zugezogene“ Jan Dau die Idee auf und machte sich auf den Weg, Unterstützer zu finden. Beim eigenen Chef, dem Gründer und Inhaber der GK Software, Rainer Gläß, und unserer Sektion fand er Gehör. Sein Arbeitgeber würde das Material bezahlen, wir den Felsen sanieren. Ziel des Vorhabens sollten die freie Zugänglichkeit der Kletterrouten für die Öffentlichkeit und die damit verbundenen Effekte für den Tourismus sowie ein Trainingsgelände für die Bergwacht sein. Der Stadtrat befürwortete den Plan am Ende 2017, Ende April 2018 wurde er von Schönecks Bürgermeisterin Isa Suplie und unserem Sektionsvorsitzenden Detlef Ludwig unterzeichnet. Was letzten Endes ausschlaggebend für den positiven Bescheid des Rates war, darüber kann man nur spekulieren.

Bahn frei für die Bohr- und Putzkolonne! In rund 100 Arbeitsstunden wurden unter der Leitung von Andreas Schuster und Andreas Schumann mit Hilfe etlicher Mitglieder der Klettergruppe 14 Routen eingebohrt und der Felsen mit dem Reinigungsprogramm „kletterfein“ behandelt. Eine seichte Flanke der Westseite erhielt außerdem Sicherungs- und Abseilhaken für die Übungen der Bergwacht. Hier können Techniken für die Bergung in schwierigem Gelände erlernt und geprobt werden.

Man kann sich im Vorfeld die Wege, die man einbohrt, zwar halbwegs vorstellen und testet vielleicht den einen oder anderen einzelnen Kletterzug. Aber ob die Routen, wenn sie fertig sind, etwas taugen und wie schwer sie zu klettern sind, stellt sich erst heraus, wenn sie das erste Mal durchklettert werden. Das Fazit der Söll-Sanierung kann sich sehen lassen: Herausgekommen sind komfortabel gesicherte Wege vom Schwierigkeitsgrad 3 bis 7- (UIAA). Fünf der 14 sind sehr gut für Anfänger geeignet, sechs fügen sich nahtlos an und drei dürfen schon als anspruchsvoll angesehen werden. Vier erhalten ein Sternchen für ihre besondere Qualität. Besser kann ein Felsen die breite Öffentlichkeit nicht erreichen.

Am 30. August erfolgte die Einweihung und Eröffnung des kleinen Klettergebiets. Schöneck präsentierte sich im schönsten, unbunten Grau mit ein wenig Nass, hatte also wieder einmal KEIN Wetter. Bürgermeisterin Isa Suplie, GK-Chef Rainer Gläß, der 2. Vorsitzende der Alpenvereinssektion Plauen-Vogtland, René Morgenstern, die Bergwacht Schöneck, die Presse und ein paar weitere Vertreter der Vertragspartner sowie Interessierte aus der Umgebung waren anwesend, um das Ergebnis in Augenschein zu nehmen. Die jeweiligen Spitzenvertreter bezeugten ihre Standpunkte in erfreulich positiven und wenigen Sätzen. GK Software übernahm das bei solchen Veranstaltungen übliche Catering. Aufgrund des Antiwetters musste das repräsentative Klettern leider ausfallen. Für die Pressefotografen seilten sich Matthias Hamann von unserer Sektion sowie Jan Dau und seine Bergwacht-Kollegen wenigstens ab, um zu demonstrieren, dass die Haken halten. Andreas Schuster und Andreas Schumann mussten immer wieder erklären, was wir da wie gemacht haben und was weshalb geht und wenn nicht, warum nicht. Oder so. Eine immergrüne und ganz und gar berechtigte Frage ist ja auch, wozu wir denn „Häken“ bräuchten, wenn wir doch nach eigenem Bekunden Freikletterer sind?

Nach einem reichlichen Stündchen löste sich die Veranstaltung zur vollsten Zufriedenheit auf und somit gilt der Alte Söll als der Öffentlichkeit übergeben. Klettern kann ab sofort jeder, der darauf Lust hat. Natürlich sollte er seine Lektionen in Sachen Sicherungstechnik gelernt haben. Dass man hier sicher klettern kann, dafür haben wir die Voraussetzungen geschaffen. Wie gesichert man tatsächlich klettert, dafür ist jeder selbst verantwortlich. Man sollte durchaus auch um die Gefahren wissen, die beim Klettern am Fels naturgemäß auftreten (und von oben auftreffen). Darauf, dass Klettern auf eigene Gefahr geschieht, weisen zwei Schilder hin.

Wo ordnen wir den Alten Söll klettersoziologisch gesehen denn nun ein? Für Cracks und Adrenalinjunkies bietet er nichts, die müssen ihr Abenteuer an anderen Felsen suchen. Aber vom Anfänger bis Gelegenheitskletterer werden die meisten wohl ihren Spaß finden. Und noch etwas hat der Felsen zu bieten: Die absolute Familienfreundlichkeit. Während Mama mit der großen Tochter die „Schiefe Bahn“ testet, lümmelt Papa mit dem Fünfjährigen auf der Wiese am Felsenfuß herum oder tobt auf dem sich anschließenden Spielplatz. Der Filius, der altersgerecht schon nicht mehr mit der Familie in Verbindung gebracht werden will, lässt mit dem Kumpel in „Aller Anfang ist YEAH“ die Muskeln spielen. Die Wiese ist eben, gefährliche Straßen gibt’s woanders. Das Handy kann ausnahmsweise im Auto bleiben – es steht ja nicht weit weg. Hier sind Zustiege von unter einer halben Minute machbar. Natürlich wird man hier immer ein paar Zuschauer haben, das lässt sich kaum vermeiden. Mein Appell lautet deshalb: Benehmt euch anständig, lasst nichts liegen und macht eine gute Werbefigur! Die Schönecker werden sich irgendwann an die Verrückten, die die Treppe nicht gefunden haben, gewöhnen. Sollte der Tag, an dem man am Alten Söll klettert, zufällig mit einem Tag zusammenfallen, an dem Schöneck ausnahmsweise Wetter hat, darf man auch als Kletterer ruhig die Treppe benutzen, um auf die Aussichtsplattform zu steigen. Der Ausblick ist wirklich großartig und die Sonnenuntergänge sensationell.

Frank Weller, im September 2018

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